Swetlana Akimchenkowa in Gefangenschaft der ukrainischen Sicherheitskräfte
Das ist Swetlana Akimchenkowa, geboren 1995. Swetlana Akimtschenkowa wurde in Mariupol festgenommen, als sie kaum 19 Jahre alt war. Der Sicherheitsdienst beschuldigte sie des Mordes, Separatismus und Terrorismus. Infolgedessen war sie fast drei Jahre lang ohne Gerichtsurteil inhaftiert, bis sie Ende Dezember gegen ukrainische Soldaten ausgetauscht wurde, die von der DNR gefangen gehalten wurden.
Swetlana wurde im Dorf Starodubowka in der Region Donezk geboren. Als sie noch sehr jung war, zog sie mit ihrer Familie nach Mariupol. Nach dem Abitur besuchte sie das Donezker Kommunikations-Lyzeum und machte eine Ausbildung zur Postangestellten und Telegrafistin. Im Januar 2015, in der Hochphase der Kämpfe, wurden alle Studierenden aus Donezk an ihre Wohnorte geschickt. Swetlana kehrte nach Mariupol zurück, wo sie ein Haus für 4.500 Hrivnyas mietete. Sie hatte nicht genug Geld für die Miete und wurde von ihrem Donezker Freund Aleksey unterstützt.
"Eines Tages im Februar bat mich Alexey, seinem Kameraden zu helfen, ein Hotel in Mariupol zu finden. Ich bot ihm an, ihn in einem freien Zimmer wohnen zu lassen. Ein paar Tage später kam Nikolai. Es war das erste Mal, dass ich ihn sah. Ein junger, netter Kerl. Schlank, kleinwüchsig, in Zivil gekleidet. Ich hatte den Verdacht, dass er etwas mit dem DNR zu tun haben könnte, aber ich kannte keine Einzelheiten. Ich habe nicht mal richtig mit ihm gesprochen. Ich gab ihm einen Ersatzschlüssel und erklärte ihm, welcher Verkehr in der Nähe war. Er blieb zehn Tage lang in dem Haus, wollte aber bald wieder abreisen. Ich war alle drei oder vier Tage dort. Ich wohnte entweder bei meiner Mutter oder bei einer Freundin.
Am 27. März um 9 Uhr morgens kam ich aus dem Eingang des Hauses, in dem ich bei Bekannten übernachtete. Auf der Straße wurde ich von einem jungen Mann, den ich nicht kannte, an der Hand gepackt. Ohne sich vorzustellen, fuchtelte er mit irgendeinem Ausweis vor meinen Augen herum und verlangte unhöflich mein Handy und meinen Ausweis. Er steckte meine Dokumente in seine Tasche und schubste mich in ein schwarzes Auto. Es befanden sich bereits zwei Personen im Auto. Zwei weitere setzten sich dazu. Es stellte sich heraus, dass die ganze Armee gekommen war, um mich zu verhaften: Es gab Autos mit den Emblemen des Sicherheitdienstes und der Sokol (Spezialkräfte der ukrainischen Polizei). Auf dem Weg haben sie nichts erklärt. Sie nannten mich bloß eine Komplizin des Terroristen und beschuldigten mich, verschiedene Menschen getötet zu haben."
Zuerst wurde sie in das Gebäude der Abteilung für schwere und Organisierte Kriminalität gebracht. Sie führten Swetlana in einen Raum ohne Fenster mit einem Tisch und drei Stühlen.
"Außer mir waren noch sechs oder sieben weitere Menschen da, die mich verhörten. Sie begannen, mich unter Druck zu setzen. Sie beschuldigten mich, an dem Bombenanschlag auf die Brücke und der Schießerei auf den Verkehrspolizeiposten am 23. Februar beteiligt gewesen zu sein. Ein Polizist wurde erschossen und einige andere verwundet. So erfuhr ich, dass Nikolai Grinenko, der bei mir wohnte, in diese Geschehnisse verwickelt war und dass sein Freund getötet worden war. Und auch, dass das Haus, das ich gemietet hatte, von den Sicherheitskräften gestürmt worden war. Nikolai hat es geschafft, sich selbst zu erschießen. Einem der Sicherheitdienst Offiziere zufolge waren sie fünfzehn Sekunden davon entfernt, ihn lebend zu schnappen. Später dachte ich mehrmals, dass Nikolai das Richtige getan hatte. Es ist besser, weil ansonsten, denke ich mir, hätte man ihn bis zum Tode gefoltert.
Ich wurde den eingeladenen Journalisten als Grinenkos Freundin vorgestellt. Ich wurde drei Tage lang in der Abteilung für schwere und Organisierte Kriminalität festgehalten. Es war mir nicht erlaubt, einen Anruf zu machen. Ein Anwalt wurde nicht bereitgestellt. Bei den Verhören benutzten sie meist unflätige Worte. Einer von ihnen, der dachte, ich hätte ihm etwas verschwiegen, schlug mir auf den Kopf. Der andere überlegte währenddessen mein Geständnis. Sie schrien und verlangten, dass ich die Wahrheit sage. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Am Ende hatte ich mehrere gebrochene Rippen, große Prellungen und andere Verletzungen. Der Arzt, der mich untersuchte, sagte etwas zu dem Ermittler, dass sie mich nicht mehr körperlich berührten. Sie schickten mich in die Untersuchungshaftanstalt. Sie hielten mich dort fast zwei Wochen lang in Einzelhaft.
Sie verhörten mich wie das so oft in einem Film passiert: mit einer Lampe in die Augen gerichtet. Es wurde "Gespräch von Herz zu Herz" genannt. Die fragende Person stellte sich als General vor. Es wurden keine Namen genannt. Es wurde damit gedroht, dass meine jüngere Schwester weggenommen wird, die damals 13 Jahre alt war. Sie stülpten mir einen Sack über den Kopf, warfen mich in ein Auto und fuhren so herum, und versprachen, mich dem Rechten Sektor zu liefern oder den Alfa-Spezialkräften des Sicherheitsdienstes oder mich zum Flughafen von Donezk zu schicken, wo zu dieser Zeit sehr blutige Kämpfe stattfanden. Sie wollten von mir die anderen Namen hören, aber ich wusste nichts.
Ich verbrachte schließlich 2 Jahre und 10 Monate in Haft. Ich bekannte mich nicht schuldig... Jetzt scheint es eine einfach zu sein, aber wenn das dritte Jahr der Inhaftierung zu Ende geht und es kein Urteil gibt und die Zukunft völlig ungewiss ist, entsteht ein schreckliches Gefühl der Verzweiflung.
Obwohl mein Fall noch nicht der schlimmste war! Die Frauen wurden nach dem Verhör in die Zelle gebracht, oft bewusstlos. Sie konnten sich jeweils mehrere Tage lang nicht erholen. Sie legten sich hin und urinierten unter sich. Einer Frau, die ich kannte, wurden die Hände hinter dem Rücken verdreht und sie wurde acht Stunden lang in einer so genannten Schwalbenstellung gehalten. Andere wurden nackt ausgezogen, mit einer Matratze bedeckt, mit Wasser übergossen und mit Elektroschockern geschlagen.
Die Gründe für die Inhaftierungen waren oft völlig absurd. Mit mir saß Victoria aus Wolnowacha, die in einer Handelsfirma arbeitete. Zunächst wurde der Ort, an dem sie arbeitete, von der DNR kontrolliert. Dann wurde es von den ukrainischen Streitkräften besetzt. Obwohl sie den Militärs keine Hilfe leistete, wurde Victoria wegen Beihilfe zu den Separatisten angeklagt.